Forschung

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Offene neuronale Quantennetze: von fundamentalen Konzepten zu Umsetzungen mit Atomen und Licht

Offene neuronale Quantennetze Urheberrecht: © Markus Müller

Klassische neuronale Netze, ursprünglich inspiriert durch die Struktur des Gehirns, sind heute zu einem vorherrschenden Paradigma in der Informationsverarbeitung geworden, das aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Algorithmen und Software, die auf neuronalen Netzwerken basieren, werden mit beeindruckendem Erfolg in der Bild- und Spracherkennung, maschinellem Lernen, der Analyse von großen Datensätzen sowie sog. ‚Deep Learning‘ eingesetzt. Getrieben durch die Hoffnung, Eigenschaften neuronaler Netze wie massiv parallele Informationsverarbeitung mi den Vorteilen wie der Beschleunigung von Rechnungen (Quanten-Speedup) in Quantencomputern vereinigen zu können, sind Versuche in verschiedene Richtungen unternommen worden, quantenmechanische neuronale Netze zu entwickeln.

Das übergeordnete Ziel dieses Forschungsprojekts, das im Oktober 2019 begonnen hat, ist es, einen Rahmen für quantenmechanische neuronale Netzwerke zu entwickeln, die auf Konzepten offener Quantenvielteilchensysteme basieren. Darüber hinaus geht es darum, vielversprechende quantenoptische Bausteine zu identifizieren, die für den Bau eines solchen neuartigen Quantenprozessors geeignet sind. Hierdurch sollen die Grundlagen für Engineering quantenmechanischer neuraler Hardware gelegt werden, die in aktuell verfügbaren wie auch neu entstehenden experimentellen Quantensystemen umgesetzt werden können, wie zum Beispiel mit gefangenen Ionen, Rydbergatomen oder hybriden Plattformen.

In unseren Arbeit [1,2] haben wir einen neuen Formalismus entwickelt, der es erlaubt, den Einfluss von Quanteneffekten auf die Dynamik von neuronalen Netzen zu analysieren. Spezifisch haben wir quantenmechanische Verallgemeinerungen klassischer Hopfield-oder Potts-Hopfield-Netzwerkse-entwickelt, die etablierte minimale Modelle für assoziatives Speichern von Information darstellen. Unser neuer Ansatz erlaubt es zum Beispiel den Einfluss von thermischen sowie kohärenten Effekten in ein und demselben Formalismus zu untersuchen.

[1] Open quantum generalisation of Hopfield neural networks, P. Rotondo, M. Marcuzzi, J. P. Garrahan, I. Lesanovsky, and M. Müller, Journal of Physics A: Mathematical and Theoretical 51, 115301 (2018).

[2] Phase diagram of quantum generalized Potts-Hopfield neural networks, E. Fiorelli, I. Lesanovsky, and M. Müller, arXiv: 2109.10140 (2021).

Diese Forschung wird durch das ERC Starting Grant QNets unterstützt.

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EU Quantentechnologie-Flagship Projekt: Fortgeschrittenes Quantenrechnen mit gefangenen Ionen (Advanced Quantum Computing with Trapped Ions ‘AQTION’)

Fortgeschrittenes Quantenrechnen mit gefangenen Ionen Urheberrecht: © Markus Müller

Ionenfallen-basierte Quantenprozessoren sind eine der führenden und vielversprechendsten Technologien zum Bau eines zukünftigen großen Quantencomputers. In diesem System wird Quanteninformation (Qubits) in metastabilen elektronischen Zuständen der elektromagnetisch gefangenen Ionen gespeichert, und präzise geformte Laserpulse können verwendet werden, um Ein-Qubit wie auch Mehr-Qubit-Rechenoperationen, sog. Quantengatter, auszuführen.

Das übergeordnete Ziel der AQTION-Forschungskollaboration ist es, einen kompakten und robusten Quanten-Prozessor mit bis zu 50 Qubits zu entwickeln und zu nutzen, basierend auf zu größeren Systemgrößen skalierbarer Hardware und geltenden Industrie-Standards. Neben unserer Theorie-Gruppe in Aachen und Jülich haben sich in diesem Projekt führende Experimentalphysik und Theoriegruppen der Universitäten in Innsbruck, Mainz, Zürich (ETH), Swansea und Oxford, mit führenden Unternehmen aus dem Bereich Lasertechnologie (TOPTICA Photonics AG), optischem Design (Fraunhofer Gesellschaft, IOF) und Rechnerarchitekturen (Bull SAS) zusammengetan, um mit vereinten Kräften den ersten Ionenfallen-Quantencomputer zu bauen, der in der Lage sein soll, Probleme zu lösen, die über die Rechenleistung klassischer Computer hinausgehen. Auf der Theorieseite sind wir insbesondere an der Entwicklung realistischer und skalierbarer Protokolle für topologische Quantenfehlerkorrektur und fehlertolerantes Quantenrechnen interessiert. Ein weiteres Ziel besteht in der Erforschung von Quantenalgorithmen, die – wenn sie auf wie von diesem Konsortium entwickelten Quantenprozessoren mittlerer Größe ausgeführt werden – möglicherweise schon einen Vorsprung gegenüber klassischen Rechnern zeigen könnten. Als aktuelles Highlight haben wir kürzlich mit Kollegen in Innsbruck den ersten fehlertoleranten und universellen Satz logischer Gatter-Operationen auf zwei logischen Qubits entwickelt und experimentell implementiert [1]. Darüber hinaus haben wir einen Zusammenhang untersucht und eine neue Abbildung von Quantenfehlerkorrekturcodes mit verrauschten Schaltungselementen auf klassische ungeordnete Spinmodelle etabliert: Diese neue Technik ermöglicht es, die fundamentalen Fehlerschwellen praktischer Quantenfehlerkorrekturcodes zu untersuchen [2].

[1] Demonstration of fault-tolerant universal quantum gate operations, L. Postler, S. Heußen, I. Pogorelov, M. Rispler, T. Feldker, M. Meth, C. D. Marciniak, R. Stricker, M. Ringbauer, R. Blatt, P. Schindler, M. Müller, T. Monz, arXiv:2111.12654 (2021)

[2] Fundamental thresholds of realistic quantum error correction circuits from classical spin models, D. Vodola, M. Rispler, S. Kim, M. Müller, Quantum 6, 618 (2022)

Diese Forschung wird durch den EU-Förderpreis für Quantentechnologie Advanced Quantum Computing with Trapped Ions AQTION projekt (AQTION Twitter-Nachrichten) unterstützt.

Munich Quantum Valley  

Skalierbare Quantenfehlerkorrektur in Neutral-Atom-Quantenprozessoren (MUNIQC-Atoms) und Hardware-adaptierte Theorie (Munich Quantum Valley)

Skalierbare Quantenfehlerkorrektur Urheberrecht: © MPQ

Neutrale Rydberg-Atome in optischen Gittern oder optischen Pinzetten-Arrays sind eine faszinierende skalierbare physikalische Plattform, um Quanteninformationsverarbeitung zu realisieren und stark korrelierte Vielteilchen-Quantenphysik zu erforschen. Hier können Atome zu hochliegenden elektronischen sogenannten Rydberg-Zuständen laserangeregt werden, in denen sie starke und langreichweitige Wechselwirkungen aufweisen. Diese können dann zur Realisierung ultraschneller Zwei- oder sogar Mehr-Qubit-Gatter-Operationen verwendet werden, als Bausteine z.B. für digitale Quantencomputer und Simulatoren [1,2].

Ziel der MUNIQC-Atoms-Kollaboration, an der sowohl akademische als auch industrielle Partner beteiligt sind und die Teil der Munich Quantum Valley Initiative ist, ist die Entwicklung und Implementierung von Quantenprozessoren mit bis zu 400 Qubits auf Basis neutraler Atome. In unserer Gruppe Theoretische Quantentechnologie werden wir uns einerseits auf die Entwicklung neuer Schemata zur fehlertoleranten Fehlerkorrektur konzentrieren, die auf die von unseren experimentellen Partnern entwickelten Plattformen zugeschnitten sind. Diese Protokolle werden damit direkt die erste Realisierung robuster und fehlerkorrigierter logischer Qubits in Neutralatom-Quantenprozessoren unterstützen. Andererseits werden wir neuartige Fehlerkorrekturstrategien und effiziente Decoder entwickeln, Theoriestudien durchführen und neue Schemata für skalierbares fehlertolerantes Rydberg-Atomquantencomputing vorschlagen und neuartige Vielteilchenphysikphänomene in dieser aufstrebenden Quantentechnologieplattform erforschen.

[1] Mesoscopic Rydberg Gate based on Electromagnetically Induced Transparency, M. Müller, I. Lesanovsky, H. Weimer, H. Büchler, P. Zoller, Phys. Rev. Lett. 102, 170502 (2009).

[2] A Rydberg Quantum Simulator, H. Weimer, M. Müller, I. Lesanovsky, P. Zoller, H.-P. Büchler, Nature Phys. 6, 382 (2010).

 

Überprüfung und Zertifizierung von Quantenfehlertoleranz (VEQTOR)

Überprüfung und Zertifizierung von Quantenfehlertoleranz (VEQTOR) Urheberrecht: © Markus Müller

Aktuelle Prototypen von Quantencomputern sind aufgrund von Fehlern in ihrer Rechenleistung begrenzt, was uns bisher daran hindert, längere Quantenberechnungen zuverlässig auszuführen. Das zugrunde liegende Problem besteht darin, dass sich Fehler bei der Quantenberechnung vermehren und jeden Rechenvorteil zerstören können, wenn sie sich unkontrolliert ausbreiten und über eine längere Rechnung akkumulieren. Hier verspricht sogenannte fehler-tolerante Quantenfehlerkorrektur, Fehler effizient zu erkennen und zu korrigieren, wie sie während der Speicherung und Berechnung auftreten können.

Das Hauptziel des VEQTOR-Projekts ist die Entwicklung skalierbarer Methoden zur Charakterisierung, Vorhersage und Validierung der Grundoperationen für fehlertolerante Quanteninformationsverarbeitung. Dies erfordert einen mehrschichtigen Ansatz, der die mikroskopische physikalische Ebene, Schaltkreisoperationen, kleinere Quantenfehlerkorrektur-Bausteine bis hin zu komplexen logische Operationen umfasst. In Zusammenarbeit mit experimentellen und theoretischen Kollegen der Universitäten Innsbruck (Österreich), Madrid (Spanien), Waterloo (Kanada) und Sydney (Australien) werden wir solche Protokolle entwickeln und in einem experimentellen Ionenfallen-Quantencomputer mit außergewöhnlich niedrigen Fehlerraten testen.

Kürzlich haben wir Bayes‘sche Optimierungsprotokolle zur automatischen Konfigurierung von Gattern in Quantenprozessoren [1] und ein neues Protokoll zur Charakterisierung verallgemeinerter Messungen, sogenannter Quanteninstrumente [2], entwickelt und implementiert.

[1] Experimental Bayesian calibration of trapped ion entangling operations, L. Gerster, F. Martínez-García, P. Hrmo, M. van Mourik, B. Wilhelm, D. Vodola, M. Müller, R. Blatt, P. Schindler, T. Monz, arXiv:2112.01411 (2021)

[2] Characterizing quantum instruments: from non-demolition measurements to quantum error correction, R. Stricker, D. Vodola, A. Erhard, L. Postler, M. Meth, M. Ringbauer, P. Schindler, R. Blatt, M. Müller, T. Monz, arXiv:2110.06954 (2021)

 

Brisk Rydberg-Ionen für skalierbare Quantenprozessoren (BRISQ)

Brisk Rydberg-Ionen für skalierbare Quantenprozessoren Urheberrecht: © Markus Müller

Gefangene Ionen sind eine der führenden Plattformen für skalierbares Quantencomputing. Komplementär dazu bieten neutrale Atome, die durch Laser zu Rydberg-Zuständen angeregt werden, sehr starke und langreichweitige Wechselwirkungen, die für die Realisierung schneller Quantengatter-Operationen ausgenutzt werden können. Warum nicht beide Ansätze sinnvoll kombinieren? Die neue Forschungskooperation BRISQ, die im Herbst 2022 startet, verfolgt diesen neuartigen Ansatz des Quantencomputings: Im Mittelpunkt steht diese erst kürzlich etablierte, aber vielversprechende physikalische Plattform für einen skalierbaren Quantencomputer – laserangeregte gefangene Ionen in Rydberg-Zuständen. Diese Plattform ermöglicht ultraschnelle Gate-Operationen auf Nanosekunden-Zeitskalen kombiniert mit Sekunden Kohärenzzeit in einem System gefangener Ionen. Gleichzeitig ermöglichen starke kontrollierbare dipolare Wechselwirkungen in 2D- oder sogar 3D-Geometrien Skalierbarkeit und die Kopplung von Hunderten von Qubits. Gemeinsam mit Kollegen der Universitäten Stockholm, Innsbruck und Tübingen sowie des führenden Industriepartners Infineon Technologies und von HQS Quantum Simulations werden wir das Potenzial dieser neuen faszinierenden Plattform für Quantencomputing theoretisch erforschen und experimentell realisieren. Unsere Gruppe, die an der Idee beteiligt war, ionische Rydberg-Zustände für die Quanteninformationsverarbeitung zu verwenden [1], wird hierbei Rydberg-Ionen-Quantengate-Protokolle und neuartige Strategien zur Quantenfehlerminderung und -korrektur entwickeln.

[1] Trapped Rydberg Ions: From Spin Chains to Fast Quantum Gates, M. Müller, L. Liang, I. Lesanovsky, P. Zoller, New Journal of Physics 10, 093009, (2008)

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Quantenmechanische Verallgemeinerungen und Implementierungen von Hopfield- und Feed-Forward Neuronalen Netzen

Hopfield- und Feed-Forward Neuronalen Netzen Urheberrecht: © Markus Müller

In diesem Projekt in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Tübingen ab 2021 werden wir quantenmechanische Versionen neuronaler Netze entwickeln. Wir beabsichtigen jedoch nicht, dies in Form von Quantensoftware oder als Ansatz zur Beschreibung komplexer Vielkörper-Quantenzustände zu tun. Vielmehr versuchen wir, die Dynamik neuronaler Netze auf der Ebene der Quantenmaterie zu konstruieren. Diese können dann als quantenmechanische Vielkörpersysteme mit einer bestimmten Konnektivität zwischen ihren Quanten-Bausteinen implementiert werden kann. Eine vielversprechende Architektur hierfür sind sogenannte Hopfield-Netze oder Rotor-Modelle, die paradigmatische Modelle zur Realisierung assoziativer Gedächtnisse darstellen: In solchen Modellen können gelernte Muster in Kopplungskonstanten zwischen Spins kodiert werden und unvollständige Muster können erkannt bzw. abgerufen werden. Vor kurzem haben wir eine Quantenverallgemeinerung neuronaler Potts-Hopfield-Netzwerke entwickelt und gezeigt, dass diese Quantennetzwerke zu neuen Quantenphasen der Materie führen können [1]. Ergänzend werden wir Quantenversionen von mehrschichtigen neuronalen Netzen untersuchen, bei denen die Netzwerkdynamik zwischen Quantenneuronen in verschiedenen Schichten des Netzwerks stattfindet. Schließlich wollen wir die experimentelle Realisierbarkeit unserer Ideen mit kalten Atomsystemen untersuchen: Beispielsweise bieten Quantensimulatoren aus Rydberg-Atomen oder Ionen-Fallen-basierte Quantenprozessoren vielversprechende Plattformen für physikalische Implementierungen solcher quantenmechanischer neuraler Netze.

[1] Phase diagram of quantum generalized Potts-Hopfield neural networks, E. Fiorelli, I. Lesanovsky, and M. Müller, arXiv:2109.10140 (2021)

 

Ionen-Quantenprozessor mit HPC-Anbindung (IQuAn)

Ionen-Quantenprozessor mit HPC-Anbindung (IQuAn) Urheberrecht: © Markus Müller

Skalierbare Quantenprozessoren eröffnen neuartige Möglichkeiten für akademische und industrielle Forschung und Entwicklung, vergleichbar dem Aufkommen von integrierten Schaltkreisen im vergangenen Jahrhundert. Ziel dieses Verbund-Projekts ist der Aufbau und Betrieb einer elementaren Quantenprozessoreinheit, basierend auf gefangenen atomaren Ionen, in Zusammenarbeit mit akademischen und industriellen Partnern der Universität Mainz, Fraunhofer-Gesellschaft, TOPTICA und AKKA. Diese Plattform verfügt über Qubits mit Kohärenzzeiten von mehreren Sekunden und lasergetriebene Gatter hoher Qualität. Der in diesem Projekt verfolgte technologische Ansatz verbindet individuelles optisches Adressieren auf kleineren Qubit-Registern mit dem dynamischen Konfigurieren von Registern durch Bewegen, Vertauschen und Umgruppieren der Ionen [1]. Damit wird eine skalierbare Lösung mit hoher Qubit-Konnektivität geschaffen. Es ist geplant, den Quantenprozessor an den Mainzer Hochleistungsrechner anzubinden und als User-Facility auch externen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Dies kann erste Anwendungsalgorithmen aus dem Bereich der Quantenchemie oder Optimierung ermöglichen. Schwerpunkte der Arbeit unserer Theorie-Gruppe werden die Entwicklung von Protokollen für die Charakterisierung (Benchmarking) und neuer Methoden zur Kompilierung der benutzerdefinierten Algorithmen in Sequenzen verfügbarer elementarer Ionen-Kristall-Rekonfigurationsschritte und nativer Gatter-Operationen sein. Kürzlich haben wir zusammen mit unseren experimentellen Kollegen in Mainz ein Flag-Qubit-basiertes Stabilisator-Messprotokoll entwickelt und implementiert – ein wichtiger Baustein für skalierbare und fehlertolerante Quantenfehlerkorrektur [2].

[1] Shuttling-Based Trapped-Ion Quantum Information Processing, V. Kaushal, B. Lekitsch, A. Stahl, J. Hilder, D. Pijn, C. Schmiegelow, A. Bermudez, M. Müller, F. Schmidt-Kaler, U. Poschinger, AVS Quantum Sci. 2, 014101 (2020).

[2] Fault-tolerant parity readout on a shuttling-based trapped-ion quantum computer, J. Hilder, D. Pijn, O. Onishchenko, A. Stahl, M. Orth, B. Lekitsch, A. Rodriguez-Blanco, M. Müller, F. Schmidt-Kaler, U. Poschinger, Physical Review X - in press (arXiv:2107.06368).

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Forschungskollaboration Lebendes Kodiertes Qubit (Encoded Qubit ‘eQual’)

Kodiertes Qubit Urheberrecht: © Markus Müller

Quantenprozessoren sind extrem anfällig gegen Störungen jeder Art. Die hierdurch entstehende Dekohärenz und Rauschprozesse stehen sind eine der größten Herausforderungen, die dem Bau eines skalierbaren und zuverlässig funktionierenden Quantencomputers im Weg stehen. Nach heutigem Stand bieten sogenannte topologische Codes zur Quantenfehlerkorrektur einen der vielversprechendsten Ansätze, um diese während der Speicherung und dem Rechnen mit Quantenzuständen auftretenden Fehler in den Griff zu bekommen. Hierbei werden Quantenzustände redundant in größeren Gruppen von miteinander wechselwirkenden Qubits gespeichert, die typischerweise auf zwei- oder dreidimensionalen Gittern angeordnet sind. Dieser Ansatz verspricht einen besonders hohen Grad von Robustheit gegen Störungen und sollte deshalb schon bei Fehlerraten, wie sie in heute schon realisierten experimentellen Quantencomputern gemessen wurden, beginnen zu funktionieren.

Eines der noch nicht erreichten Zwischenziele auf dem Weg zu voll ausgereiften Quantencomputern besteht darin, solche kollektiven, sogenannte logische Qubits zu realisieren, die besser funktionieren als die einzelnen physikalischen Qubits, aus denen sie aufgebaut sind. In diesem Projekt entwickeln und untersuchen wir neue flexible und fehlertolerante Methoden, um solche robusten Qubits experimentell umzusetzen [1,2]. Hier konzentrieren sich die experimentellen Anstrengungen auf Realisierungen in modernsten, aus verschiedenen Segmenten aufgebauten Ionenfallenarchitekturen, die einen hohen Grad an Kontrolle und z.B. die gleichzeitige Verwendung von Ionen verschiedener atomarer Spezies ermöglichen. Unsere Gruppe ist hier Teil einer internationalen Kollaboration aus experimentellen und theoretisch arbeitenden Gruppen in Innsbruck, Zürich, Mainz, Sydney und Oxford. Wir sind hier insbesondere an der Entwicklung von realistischen Protokollen zur Kontrolle einzelner und Kopplung mehrerer logischer Qubits interessiert. Desweiteren arbeiten wir an der Modellierung der mikroskopischen physikalischen Prozesse, die den Bausteinen wie den Quantengattern zugrunde liegen, sowie an effizienter Software für numerische Simulationen, um die erwartete Leistungsfähigkeit der Protokolle vorherzusagen. Diese numerischen Verfahren erlauben es, das Verhalten unter realistischen Fehlermodellen zu studieren, die Gatterfehler, Qubitverluste oder unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Qubits berücksichtigen, und somit optimierte Schemata für die experimentellen Umsetzungen zu finden und zukünftige Weiterentwicklungen von Quantencomputer-Hardware in verschiedenen atomaren oder festkörperbasierten Systemen voranzutreiben. Kürzlich haben wir Protokolle entwickelt und experimentell implementiert, um Qubit-Verluste deterministisch zu erkennen und zu korrigieren [3], den ersten fehlertoleranten universellen logischen Gattersatz auf zwei logischen Qubits zu implementieren [4] und zur ersten Realisierung einer wiederholten Quantenfehlerkorrektur in a . beigetragen 17-Qubit-Oberflächencode [5].

[1] Assessing the progress of trapped-ion processors towards fault-tolerant quantum computation, A. Bermudez, X. Xu, R. Nigmatullin, J. O'Gorman, V. Negnevitsky, P. Schindler, T. Monz, U. G. Poschinger, C. Hempel, J. Home, F. Schmidt-Kaler, M. Biercuk, R. Blatt, S. Benjamin, M. Müller, Physical Review X 7, 041061 (2017).

[2] Transversality and lattice surgery: exploring realistic routes towards coupled logical qubits with trapped-ion quantum processors, M. Gutiérrez, M. Müller, and A. Bermudez, Phys. Rev. A. 99, 022330 (2019).

[3] Deterministic correction of qubit loss, R. Stricker, D. Vodola, A. Erhard, L. Postler, M. Meth, M. Ringbauer, P. Schindler, T. Monz, M. Müller, R. Blatt, Nature 585, 207 (2020).

[4] Demonstration of fault-tolerant universal quantum gate operations, L. Postler, S. Heußen, I. Pogorelov, M. Rispler, T. Feldker, M. Meth, C. D. Marciniak, R. Stricker, M. Ringbauer, R. Blatt, P. Schindler, M. Müller, T. Monz, arXiv:2111.12654 (2021).

[5] Realizing Repeated Quantum Error Correction in a Distance-Three Surface Code, S. Krinner, N. Lacroix, A. Remm, A. Di Paolo, E. Genois, C. Leroux, C. Hellings, S. Lazar, F. Swiadek, J. Herrmann, G. J. Norris, C. Kraglund Andersen, M. Müller, A. Blais, C. Eichler, A. Wallraff, arXiv:2112.03708 (2021).

Diese Forschung wird in Zusammenarbeit mit Encoded Qubit Alive (eQual) durchgeführt.

 

Quantensimulation komplexer und die Umgebung gekoppelter Quantenvielteilchensysteme

Quantensimulation Urheberrecht: © Markus Müller

Die numerische Simulation des zeitlichen Verhaltens wechselwirkender Vielteilchensysteme ist in vielen Fällen ein hartes Problem, selbst für rechenstarke heutige Supercomputer. Die Idee eines Quantensimulators ist, dieses Problem zu umgehen, indem das zu untersuchende Vielteilchenquantensystem auf ein anderes, sehr gut kontrollierbares Quantensystem abgebildet wird. Solch ein Quantensimulator erlaubt es dann, die Dynamik und andere wesentlichen Eigenschaften des komplexen Systems von Interesse unter kontrollierten Bedingungen systematisch zu untersuchen. Dies ist ein vielversprechender Ansatz, um eine Reihe auf anderem Wege nicht handhabbare Probleme aus verschiedensten Gebieten zu erforschen. Dies beginnt mit Fragestellungen aus den Materialwissenschaften, der Quantenchemie, bis hin zur Hochenergiephysik oder möglicherweise sogar biologischen Systemen, wo Quanteneffekte eine Rolle spielen könnten. Darüberhinaus erlauben insbesondere Quantensimulatoren für an die Umgebung gekoppelte, sogenannte offene Quantensysteme deren Dynamik zu studieren oder gezielt zu kontrollieren. Dies eröffnet unter anderem neue Möglichkeiten zur Erforschung neuartiger Nicht-Gleichgewichts-Physik und Phasenübergänge in angetriebenen Quantensystemen, in denen kohärente und dissipative Prozesse miteinander im Wettbewerb stehen [2]. In letzter Zeit waren wir entlang dieser Forschungsrichtung daran interessiert, neue Schemata zur Quantensimulation topologischer Vielteilchenphasen wie topologischer Mott-Isolatoren [3] und Gittereichtheorien [4] sowie Modelle von Interesse in der Hochenergiephysik [5], unter Verwendung von Rydberg-Atomen und gefangenen Ionen, zu entwickeln.

[1] An open-system quantum simulator with trapped ions, J. T. Barreiro*, M. Müller*, P. Schindler, D. Nigg, T. Monz, M. Chwalla, M. Hennrich, C. F. Roos, P. Zoller, R. Blatt, Nature 470, 486, (2011).

[2] Quantum Simulation of Dynamical Maps with Trapped Ions, P. Schindler*, M. Müller*, D. Nigg, J. T. Barreiro, E. A. Martinez, M. Hennrich, T. Monz, S. Diehl, P. Zoller, R. Blatt, Nature Physics 9, 361 (2013).

[3] Interaction-induced polarons and topological defects in a topological Mott insulator, S. Julià-Farré, M. Müller, M. Lewenstein, A. Dauphin, Phys. Rev. Lett. 125, 240601 (2020).

[4] Symmetry-protected topological phases in lattice gauge theories: topological QED2, G. Magnifico, D. Vodola, E. Ercolessi, S. P. Kumar, M. Müller, A. Bermudez, Phys. Rev. D 99, 014503 (2019).

[5] Quantum sensors for the generating functional of interacting quantum field theories, A. Bermudez, G. Aarts, M. Müller, Physical Review X 7, 041012 (2017).

[6] Rydberg-atom quantum simulation and Chern-number characterization of a topological Mott insulator, A. Dauphin, M. Müller and M. A. Martin-Delgado, Phys. Rev. A 86, 053618 (2012).

Review:

[7] Engineered Open Systems and Quantum Simulations with Atoms and Ions, M. Müller*, S. Diehl*, G. Pupillo, P. Zoller, Advances in Atomic, Molecular, and Optical Physics 61, 1-80 (2012).